Gütig urteilen

Die kleine Sophia hielt zwei Äpfel in ihren Händen. Da fragte ihre Mutter ihre kleine Prinzessin sanft und mit einem Lächeln: “Schatz, kannst du deiner Mama einen der beiden Äpfel geben?” Das Mädchen sah die Mutter einige Sekunden lang an und biss dann plötzlich in einen Apfel und dann schnell in den anderen. Die Mutter spürte, wie ihr ein Lächeln auf dem Gesicht gefror, und sie bemühte sich, ihre Enttäuschung nicht zu zeigen. Sie war verärgert, dass ihre geliebte Tochter nicht mit ihr teilen wollte. Plötzlich aber streckte das Mädchen einen der angebissenen Äpfel aus und sagte: “Mami, nimm den hier, der schmeckt besser!”

Nur all zu schnell sind wir geneigt, negative Urteile über die Verhaltensweisen unserer Mitmenschen im Herzen zu haben. Wir kennen oft die wahren Motive und Beweggründe nicht. Der hl. Bonaventura sagt: “Jene, die glauben, im geistlichen Leben die größten Fortschritte gemacht zu haben, sind gewöhnlich mehr als alle anderen der Versuchung ausgesetzt, über ihre Nächsten zu richten.” Der Heilige Geist gibt uns immer wieder Kraft zur rechten Unterscheidung. Wir können uns nicht aller Urteile enthalten, aber wir gehen nicht fehl, wenn wir mit gütigen Urteilen beginnen. Das erspart uns viele verkehrte Gedanken.