Anna Katharina Emmerick 1774 – 1824 – Sie schaute die unsichtbare Welt Gottes

Die große Mystikerin Anna Katharina Emmerick aus Dülmen im Münsterland ist in aller Welt bekannt geworden durch den Film „Die Passion Christi“ von Mel Gibson. Der Regisseur hat in ihren Visionen des Leidens Christi wichtige Anregungen für seinen Film gefunden. Anna Katharina wird aber nicht deshalb selig gesprochen, weil sie Visionen hatte, weil sie wie der hl. Pater Pio die Wundmale trug und fast nahrungslos lebte, sondern weil sie in heroischer Weise die Liebe zu Gott und den Menschen verwirklicht und ihre Leiden als Sühne getragen hat.

Anna Katharina Emmerick stammte aus einer mit neun Kindern gesegneten armen Bauernfamilie. Schon als Kind besaß sie die Gabe der übernatürlichen Schau. Später einmal beschreibt sie diese Gnadengabe: “Ich sehe das Übersinnliche nicht mit den Augen, sondern es ist mir, als sehe ich es mit dem Herzen, so mitten in der Brust.“

Wegen der Armut ihrer Familie musste sie bald bei der schweren Arbeit mithelfen. Sie konnte deshalb nur vier Monate zur Schule gehen. Doch sie gewann ihre Bildung durch die Teilnahme am kirchlichen Leben und hauptsächlich dadurch, dass sie alle freie Zeit zum Lesen nutzte. Sie hatte den Wunsch, ins Kloster zu gehen, aber ihre Eltern waren dagegen. Wegen ihrer schwachen Konstitution erlernte sie das Nähen und verdiente sich als geschickte und gefragte Wandernäherin den Lebensunterhalt.

1802, mit 27 Jahren, konnte sie nach Überwindung vieler Hindernisse in das Augustinerinnenkloster in Dülmen eintreten. Ihre tiefen geistlichen Erfahrungen im Gebet spornten sie zu großer Dienstbereitschaft und Nächstenliebe an. Sie schonte sich nicht und sie war wegen ihrer Umsicht in der Arbeit und ihrem Fleiß von allen geschätzt. Aber durch schwere Krankheiten, die sie oft an den Rand des Todes brachten, wurde ihr Eifer immer wieder eingeschränkt.

1812 wurde das Kloster infolge der Säkularisation aufgehoben und Anna Katharina fand Unterkunft als Haushälterin bei Abbé Lambert, einem während der französischen Revolution geflüchteten Geistlichen. Sie konnte den Haushalt nicht lange führen, denn sie erkrankte so schwer, dass sie bis zu ihrem Tod 1824 fast ständig ans Bett gefesselt war.

Durch ihr tiefes Mitleiden mit dem Leiden Christi zeigten sich im Jahre 1798 an ihrem Kopf erstmals blutenden Abdrücke der Dornenkrone Christi und im Laufe des Jahres 1812 entstanden offene Wundmale an Händen und Füßen und an der Brust. Durch eine Indiskretion wurde dies öffentlich bekannt.

Anna Katharina sah das für ein großes Unglück an, denn sie, die im Gebet die Zwiesprache mit Gott gesucht hatte, wurde nun der Öffentlichkeit preisgegeben. 1814 wurden die Wundmale und ihre Nahrungslosigkeit durch geistliche Behörden und 1818 unter sehr demütigenden Umständen durch weltliche Behörden mehrere Male untersucht und als „echt” bestätigt. Anna Katharina hatte nicht nur unter ihren Krankheiten zu leiden, sondern sie litt auch darunter, dass sie von den einen als Heilige verehrt, von anderen als medizinische Sensation angesehen, von wieder anderen als Betrügerin gebrandmarkt wurde .

Neugierige wollten sie sehen, Wundersüchtige sie berühren, Skeptiker sie als Betrügerin entlarven, Ärzte die medizinische Sensation untersuchen. Doch es kamen auch viele Kranke und Leidende, die ihre Hilfe, ihr Gebet, ihren Trost suchten.

1818 war der Dichter Clemens Brentano voller Verzweiflung an seinem eigenen Leben nach Dülmen gekommen. Die Begegnung mit Anna Katharina eröffnete ihm eine neue Welt. Er blieb mit kurzen Unterbrechungen bis zum Tod von Anna Katharina in Dülmen. Er fand hier eine Aufgabe, die ihn bis an sein Lebensende beschäftigte. 16.000 Seiten notierte er am Bett der Kranken. Daraus entstanden in fünf Bänden »Die Betrachtungen der gottseligen Anna Katharina Emmerick«.

Am bekanntesten wurde der erste Band dieser Reihe »Das bittere Leiden unseres Herrn Jesu Christi«, der im 19. Jahrhundert mit größeren Auflagen verbreitet war als die Werke von Goethe und Schiller. Nach langem, sühnend getragenem Leiden starb Anna Katharina Emmerick am 9. Feb. 1824 im Ruf der Heiligkeit.