6. Tag

3. Mittel zur Erlangung der Weisheit:

Selbstver­leugnung

Die Weisheit, sagt der Heilige Geist, findet sich nicht bei de­nen, die ein bequemes Leben führen und ihre Leidenschaften und körperlichen Begierden ausleben. Denn „wer vom Fleisch bestimmt ist, kann Gott nicht gefallen” (Röm 8,8).

Diese Worte des Heiligen Geistes stellen klar, daß wir Zucht und Selbstbeherrschung üben und die Welt und uns selbst verleugnen müssen, wenn wir die menschgewordene Weisheit Jesus Christus erlangen wollen.

Die Weisheit gibt sich nicht damit zufrieden, daß wir uns halbherzig oder für ein paar Tage in Zucht und Selbstbeherr­schung üben, wenn sie sich uns mitteilen will. Vielmehr ver­langt sie, daß wir mit ganzem Herzen und für immer, mutig und klug darangehen. Wenn wir die Weisheit erlangen wol­len, müssen wir folgendes beachten:

Armut:

Wir müssen uns wirklich von den Gütern der Welt trennen, wie es die Apostel, die Jünger, die ersten Christen und die Ordensleute getan haben. Das ist das schnellste, beste und sicherste Mittel, die Weisheit zu erlangen. Wenigstens aber müssen wir unser Herz von den materiellen Dingen lö­sen. Wir sollen sie besitzen, als besäßen wir sie nicht. Das heißt, wir sollen uns nicht darum kümmern, ob wir etwas besitzen, wir sollen uns keine Sorgen machen, wie wir es behalten kön­nen, und wir sollen nicht klagen oder ungeduldig werden, wenn wir etwas verlieren. Das ist nicht leicht getan (vgl. LEW 194-197).

Sich nicht der Welt angleichen:

Wir dürfen uns nicht dem in der Gesellschaft Üblichen anpas­sen, weder was die Mode noch was die Möbel, die Häuser, das Essen und die übrigen Lebensgewohnheiten angeht. „Gleicht euch nicht dieser Welt an” (Röm 12,2). Das ist notwendiger, als man gemeinhin annimmt.

Wir dürfen die verkehrten Lebensregeln der Gesellschaft we­der glauben noch befolgen; wir dürfen nicht denken, reden und handeln wie die Gesellschaftsmenschen. Zwischen ihrer Lehre und der Lehre der menschgewordenen Weisheit besteht ein Unterschied wie Tag und Nacht, wie zwischen Leben und Tod. Betrachtet ihre Gesinnung und ihre Worte genau: sie denken und reden schlecht von allen großen Wahrheiten. Es stimmt zwar, daß sie nicht offen lügen, aber sie geben ihren Lügen den Schein der Wahrheit. Sie sind sich nicht bewußt, daß sie lügen, tun es aber doch. Normalerweise lehren sie zwar nicht ausdrücklich die Sünde, aber sie sprechen von ihr, als wäre sie etwas Tugendhaftes, für das man sich nicht zu schämen brauche, als wäre sie etwas Belangloses. In dieser Gewandtheit die der Teufel der Welt beigebracht hat, um die Häßlichkeit der Sünde und der Lüge zu vertuschen, besteht jene Bosheit, von der der heilige Johannes spricht: „Die ganze Welt steht unter der Macht des Bösen” (1 Joh 5,19), heute mehr denn je (vgl. LEW 198-199).

Die rechte Selbstbeherrschung:

Wir müssen so weit als möglich die schlechte Gesellschaft der Menschen und die nutzlosen Unterhaltungen und Vergnü­gungen meiden. Solcher Umgang ist für unsere Seele gefähr­lich und schädlich und meist eine unnütze Zeitverschwen­dung. Wer weise und vollkommen werden will, der liebt die Zurückgezogenheit, er begegnet aber allen Menschen mit Güte und Freundlichkeit. „Euer Leben ist mit Christus verborgen in Gott” (Kol 3,3).

Wenn wir die Weisheit erlangen wollen, müssen wir auch un­seren Leib in Zucht nehmen. Dazu gehört nicht nur, daß wir Krankheiten, die Beschwerden des Wetters und anderes ge­duldig ertragen, sondern auch, daß wir uns selbst etwas zu­muten: z.B. Fasten, und Verzicht auf gewisse Bequemlichkei­ten.

Wenn diese freiwillige Zucht des Leibes fruchtbar sein soll, muß sie Hand in Hand gehen mit der Zucht im Urteilen und Wollen durch den heiligen Gehorsam. „Wer auf seinen eigenen Verstand vertraut, ist ein Tor” (Spr 28,26). „Tu nichts ohne Rat und Überlegung, dann hast du dir nach der Tat nichts vorzu­werfen” (Sir 32,16). „Such nur bei Verständigen Rat” (Tob 4,18; vgl. LEW 200-202).

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