Vater und Mutter meines Glaubens

Der Vater (meines Glaubens) redete nicht über den Glauben, er lebte ihn als Bauer. Er ging voran, er war der Vorbeter der Familie und dieses Vorrecht hätte er sich nie nehmen lassen. Das tägliche dreimalige Tischgebet, der Samstagrosenkranz, der Sonntagsgottesdienst. Immer ging er uns voran. Sein Glaube war stark, herb, männlich. Der Vater steht mir auch als Zeuge des Glaubens noch deutlich vor Augen. Es war „in jener Zeit..“ (der Herrschaft Hitlers). Wir saßen gerade beim Mittagessen, da kommt der Ortsgruppenleiter (Voll-Nazi, natürlich aus der Kirche ausgetreten). Das Essen ist zu Ende. Wir Kinder saßen auf Nadeln. Wird nun der Vater aufstehen und den Engel des Herrn vorbeten oder nicht – wegen der Gegenwart des (nicht ganz ungefährlichen) Nazibosses? Aber der Vater stand auf und betete mit fester und ruhiger Stimme den Angelus. Dieses offene Bekenntnis hat die Achtung vor meinem Vater und meinem eigenen Glauben ungemein gestärkt.

Die Mutter (meines Glaubens) hat die Liebe zu Gott, zur Eucharistie, zum heiligsten Herzen Jesu und zu unserer himmlischen Mutter in unsere Herzen gelegt, nein hineingeboren. Der Glaube braucht auch Wärme. Die kam von der Mutter. Ja, man kann den Glauben wie die Muttermilch einsaugen. Die Herz-Jesu-Freitage (bzw. die Sonntage danach) mit der heiligen Beichte und Kommunion schrieben sich tief in unsere Herzen. Im Mai nahm uns die Mutter in das “Obergemach”, die Elternkammer, hinauf und hielt mit uns vor einer einfachen Lourdesstatue kleine Maiandachten. Die Blumen für den kleinen Maialtar brachten wir. Meiner Mutter schrieb ich (mit 18 Jahren) meinen Herzenswunsch: Ich möchte Priester werden! So wurde mein Beruf “geboren”. Und woher hatte die Mutter ihren Glauben und das nötige Glaubenswissen? Die Mutter ging – mit wenigen Ausnahmen – jeden Sonntag zur Frühmesse um 6 Uhr. Da gab es keine Predigt und die heilige Messe war natürlich in Latein, eine Stillmesse. Ein Gebetbuch gab es und den Rosenkranz. Damit hat man ja den ganzen Glauben in der Hand (Kardinal Meisner).

Noch ein vielsagendes Ereignis. Als ich junger Priester war, kam ich im Urlaub heim und feierte in der Frührnesskapelle die heilige Messe. Mit großer Freude war die Mutter dabei. Ich, der ich “liturgisch bewegt” war, schenkte ihr einen Volksschott. Einige Zeit benützte sie diesen (aus Liebe zu mir), dann gab sie ihn wieder zurück. “Ach, ich bleibe doch lieber beim Rosenkranz. Mit dem schmerzhaften Rosenkranz kann ich das Messopfer am besten verstehen und mitfeiern …”

Alterzbischof Dr. Georg Eder