Wie Papst Benedikt XVI. seine Berufung zum Priestertum erkannte

Als der Heilige Vater zu Ostern 2006 mit der Jugend der Diözese Rom auf dem Petersplatz zusammentraf, beantwortete er unter anderem auch die Frage des 20-jährigen Vittorio. Dieser Student wollte wissen, wie der Papst seine Berufung zum Priestertum entdeckt hatte. Der Heilige Vater sagte:

Was mich betrifft, so bin ich in einer Welt aufgewachsen, die sehr verschieden ist von der heutigen; am Ende sind aber die Umstände ähnlich: Einerseits gab es damals noch eine “Christenheit”, in der es völlig “normal” war, in die Kirche zu gehen und den Glauben als Offenbarung zu akzeptieren und zu versuchen, dieser Offenbarung entsprechend zu leben; auf der anderen Seite war da das Naziregime, das mit lauter Stimme behauptete: “Im neuen Deutschland wird es keine Priester, kein Ordensleben mehr geben. Wir brauchen diese Leute nicht mehr. Sucht euch einen anderen Beruf!”

Aber gerade im Hören dieser “lauten” Stimmen, in der Auseinandersetzung mit der Brutalität jenes Systems, das unmenschliche Züge trug, habe ich verstanden, dass man sehr der Priester bedurfte. Dieser Kontrast, der Blick auf diese unmenschliche Kultur, hat mich in der Überzeugung bestätigt, dass uns der Herr, das Evangelium, der Glaube den rechten Weg zeigen und dass wir uns darum bemühen mussten, dass dieser Weg überlebe. In dieser Situation ist die Berufung zum Priestertum fast als etwas Natürliches zusammen mit mir und ohne große Bekehrungsereignisse gewachsen. Darüber hinaus haben mir zwei Dinge auf diesem Weg geholfen.

Schon als Bub entdeckte ich mit Hilfe meiner Eltern und des Pfarrers die Schönheit der Liturgie, die ich immer mehr liebte, weil ich spürte, dass uns in ihr die göttliche Schönheit aufscheint und dass sich durch sie vor uns der Himmel auftut. Das zweite Element war die Entdeckung der Schönheit des Erkennens, der Erkenntnis Gottes, der Heiligen Schrift, dank derer man in dieses große Abenteuer des Dialogs mit Gott eintreten kann, der die Theologie ist. Und so war es eine Freude, in diese Arbeit der Jahrtausende der Theologie eintreten zu dürfen, in diese Feier der Liturgie, in der Gott mit uns ist und zusammen mit uns feiert.

Natürlich fehlte es nicht an Schwierigkeiten. Ich fragte mich, ob ich wirklich die Fähigkeit besitzen würde, ein ganzes Leben lang den Zölibat zu leben. Da ich ein Mann von theoretischer, nicht von praktischer Bildung war, wusste ich auch, dass es nicht genügen würde, die Theologie zu lieben, um ein guter Priester zu sein, sondern dass es notwendig wäre, für die jungen Menschen, die Alten, die Kranken und die Armen immer zur Verfügung zu stehen; die Notwendigkeit, mit den Einfachen einfach zu sein.

Die Theologie ist schön, aber auch die Einfachheit des Wortes und des christlichen Lebens ist notwendig. Und so fragte ich mich: Werde ich in der Lage sein, all das zu leben und nicht einseitig zu sein, nur Theologe usw.? Der Herr und vor allem die Begleitung von Freunden, von guten Priestern und Meistern, haben mir geholfen.