Wie lange wirst du mich noch warten lassen?

Zum Guthirtensonntag, Weltgebetstag um geistliche Berufe

Eine geistliche Berufung, sei es zum Priestertum oder Ordensleben ist ein besonderes Geschenk der barmherzigen Liebe Gottes. Der Herr hat mit jedem, den er in seine Nachfolge ruft, etwas Großes zum Heil der Menschen vor.

Da so Großes auf dem Spiel steht, gibt es bei den meisten Berufenen einen inneren Kampf darum, ob sie auf den Ruf des Herrn auch wirklich hören und ihn aus freiem Herzen beantworten. Wir müssen deshalb die geistlichen Berufungen immer mit unserem Gebet und Opfer begleiten, damit sie diesen Kampf bestehen. An der Berufungsgeschichte der hl. Schwester Faustyna kann uns deutlich werden, worum es geht.

Die hl. Sr. Faustyna stammt aus einer ärmlichen polnischen Familie. Nach drei Schuljahren musste sie bereits arbeiten gehen, um für den Unterhalt der Familie mitzusorgen. Obwohl sie in der Seele die Berufung zum Klosterleben spürt, ging sie nicht darauf ein, da auch ihre Eltern entschieden gegen die Berufung waren. Nun griff der Herr selbst mit außergewöhnlicher Macht in ihr Leben ein.
Faustyna schreibt in ihrem Tagebuch: „Nach dieser Ab­sage gab ich mich der Eitelkeit des Lebens hin, ohne die Stimme der Gnade zu beachten – obgleich meine Seele in nichts Zufriedenheit fand. Die unaufhörlichen Gnadenrufe waren für mich eine große Qual, die ich mit Zerstreuungen zu überdecken suchte. In meinem Inneren mied ich Gott, und mit ganzer Seele neigte ich mich den Geschöpfen zu. Doch Gottes Gnade siegte in der Seele. Einmal ging ich mit einer meiner Schwestern zum Ball. Als alle in bester Stimmung waren, empfand meine Seele innere Qualen. Im Moment, als ich zu tanzen anfing, erblickte ich neben mir Jesus; den geschundenen, entblößten Jesus, ganz mit Wunden bedeckt, der zu mir die Worte sprach: ‚Wie lange soll Ich dich ertragen, und wie lange wirst du Mich noch warten lassen?‘ In diesem Augenblick verstummte die liebliche Musik, die Gesellschaft, in der ich mich befand, verschwand mir aus den Augen, es blieben Jesus und ich. Ich setzte mich neben meine liebe Schwester und versuchte, was in meiner Seele vorging, mit Kopfweh zu verdecken. Nach einer Weile verließ ich heimlich die Gesellschaft, und begab mich in die Kathedrale. Auf nichts ach­tend, was um mich geschah, warf ich mich vor dein Aller­heiligsten Sakrament nieder und bat den Herrn, mich erken­nen zu lassen, was ich tun sollte. Sogleich hörte ich die Worte: „Fahre sofort nach Warschau, dort wirst du in ein Kloster eintreten.“ Ich erhob mich vom Gebet, kam nach Hause und verrichtete notwendige Dinge. So gut ich konnte, vertraute ich meiner Schwester an, was in meiner Seele geschehen war und sagte ihr, sie sollte den Eltern in meinem Namen Abschiedsgrüße überbringen – und so, in meinem einzigen Kleid, ohne alles, kam ich nach Warschau.” Faustyna fand bei einer gläubigen Frau Unterkunft. Sie erkundigte sich nach den Klöstern der Stadt. Doch überall wird sie abgewiesen, bis sie zu den Schwestern der “Mutter der Barmherzigkeit” kommt. Hier trat sie mit 20 Jahren am 1. August 1925 ein und begann ein verborgenes Leben. Bereits mit 33 Jahren starb sie. Doch Gott hat sie zu einer Botin seiner Barmherzigkeit gemacht, die Großes zum Heil der Menschen bewirkt.