Es war ein wahrhaft einmaliges und freudiges Ereignis, als die 28-Jährigen Zwillingsbrüder George und Johnny Jallouf, Franziskaner der Kustodie des Heiligen Landes, in ihrer Heimatstadt Aleppo in Syrien am 6. Juli 2024 die Priesterweihe empfingen. Noch dazu war es ihr leiblicher Onkel, Msgr. Hanna Jallouf, ebenfalls Franziskaner, der sie in der Franziskuskirche weihte. Aufgewachsen waren die eineiigen Zwillinge mit drei älteren Brüdern in einer tiefgläubigen Familie. „Dank unserer Eltern haben wir von klein auf die Schönheit des christlichen Lebens und Betens eingeatmet“, betonten sie in einem Interview. „Wir ministrierten in der Franziskanerpfarrei, sangen im Chor und engagierten uns als Katecheten und in Jugendgruppen so sehr, dass die Eltern uns ab und zu fragten, ob wir nicht gleich ein Zimmer im Kloster mieten und dort übernachten wollten.“
Im Aussehen sind Johnny und George fast identisch, aber sie unterscheiden sich im Charakter voneinander, wie auch im Finden ihrer Priesterberufung. Die Brüder erzählen: Johnny: „Ich war 15 und sträubte mich lange dagegen, denn ich wollte heiraten und Arzt werden. Als der Bürgerkrieg in Syrien ausbrach, wuchs dieser Wunsch nur noch mehr, denn auf der Straße sah ich die Verwundeten und dachte, wenn ich nur etwas von ihrem Schmerz lindern könnte, hätte ich schon etwas Gutes in meinem Leben getan. Zugleich war eine Leere, eine innere Angst in mir, die mich fast lähmte. Lebhaft erinnere ich mich noch an jenen Tag, ich war inzwischen 17, als ich in einem Moment besonderer Verzweiflung das Vaterunser zu beten begann. Bei der Stelle ‚Dein Wille geschehe‘ hielt ich inne. Ich fragte Gott: ‚Was willst Du, dass ich tue? Ich möchte glücklich sein, aber sag Du mir, wie.‘ Und mit einem Mal wurde mir klar: Bisher hatte ich immer nur meinen Willen getan, doch diese Worte des Vaterunsers müssen Fleisch werden, konkret und greifbar.
In den folgenden Monaten – ISIS und Rebellen besetzten die Stadt – starben viele Leute um mich herum und auch wir waren in Lebensgefahr. Ich betete, las die ‚Geschichte einer Seele‘ der Kleinen hl. Theresia und nach Antworten suchend betrachtete ich die Heilige Schrift, bis mich ein Satz ganz tief traf; er sollte meine Berufung prägen und mein priesterliches Motto werden: ‚Gib mir Seelen, alles andere nimm‘ (vgl. Gen 14,21). Jetzt war ich mir sicher: Gott will mich als Priester, als Seelenarzt, der die verwundeten Seelen meines Volkes heilt.“
George: „Schon als Kind, als Ministrant, schaute ich mit Hochachtung und Bewunderung zu den Priestern auf, die ich kannte. Ihr Leben und ihre Freude, die selbst in den Kriegsjahren nicht von ihnen wich, faszinierten mich; still und verborgen trug auch ich den Wunsch in mir, ganz Jesus zu gehören. Im Gegensatz zu Johnny behielt ich dies zunächst für mich. Doch wie er widerstand auch ich der Berufung anfangs ein wenig und wollte als Teenager sogar ein großer Regisseur werden. Die Bomben fielen auf Aleppo, doch ich versuchte, täglich zur Hl. Messe zu gehen. Ich hatte Angst, sagte mir aber immer wieder: ‚Ich fürchte kein Unheil; denn du bist bei mir.‘ Ps 23,4. Dieser Satz leitete und beruhigte mich, er gab mir Frieden. Mit 18 geriet ich dann in eine Krise, fühlte mich sündhaft und unwürdig. Warum sollte der Herr ausgerechnet mich für Sich auserwählen? Während eines mehrtägigen Franziskanermarsches in Syrien bat ich Ihn um ein Zeichen. Als wir für die Hl. Messe in einem Altenheim Halt machten und danach den älteren Leuten das Essen brachten, sagte eine betagte Frau am Ende der Mahlzeit zu mir: ‚Pater, ich möchte nichts mehr.‘ Als ich hörte, wie sie mich ‚Pater‘ nannte, war ich erschüttert. Das war mein Zeichen! Ich bin nicht wegen meiner Verdienste berufen worden oder weil ich würdig war, sondern aus Liebe! Nur wenige Wochen später, im September 2014, machte ich mich mit Johnny auf, um Franziskaner und Priester zu werden.“