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Getragen vom Gebet – Vision von Nikolaus von Kues

Kardinal Nikolaus von Kues (1401-1464), ein großer Gelehrter und Philosoph der Kirche, berichtet in seinen Schriften auch von einer Vision, die er hatte, und die er überschrieb mit den Worten: “Die Welt von innen her bewegen.”

Er sah in einer Vision eine uralte Kirche, die ganz gefüllt war mit Ordensschwestern, die in dieser Kirche beteten. Noch nie hatte er Menschen so intensiv beten gesehen wie diese Schwestern. Sie knieten aber nicht beim Gebet, sondern sie standen aufrecht und hatten ihre Hände nach oben ausgestreckt. Dann sah er das Unglaubliche. Auf ihren schwachen Händen, die sie erhoben hatten, trugen sie Männer und Frauen, Kaiser und Könige, Städte und Länder. Manchmal schlossen sich mehrere Händepaare zusammen, um eine Stadt zu tragen, wieder eine ganze Reihe von Händen trug ein ganzes Land. Nikolaus sah auf den Händen einer ganz schalen, jungen, kindhaft aussehenden Schwester den Papst. Er sah, wie sie an ihrer Last zwar schwer trugen, aber ihr Gesicht war vom Glanz der Freude überstrahlt. Der Kardinal sah das alles mit großen erschrockenen Augen.

Da sagte Livia (sie führte ihn durch diese Vision) zum ihm: “Da siehst du nun, wie die Menschen von einander getragen und gestützt werden, dass sie durchhalten und nicht zerbrechen, dass sie den Weg nicht verlieren, da sie nie aufgehört haben, den Herrn zu lieben.”

Dann führte Livia den Kardinal in die Krypta der Kirche, die von einer Luft mit eisiger Kälte erfüllt war. Da sagte Livia zum Kardinal: “So werden auch die noch gehalten, die aufgehört haben zu lieben. Zuweilen geschieht es, dass sie wieder warm werden an der Glut der Herzen, die sich verzehren. Das vergesst ihr oft, ihr Tätigen, ihr Fleißigen, die ihr die Welt bewegt, dass Gott nicht aufgehört hat, sie von innen zu bewegen. Auch dazu erwählt er Menschen, aber schweigende, hingeopferte, die gewissermaßen an das Kreuz seines Sohnes geschlagen werden.”

Gerade jene also, die oft im Verborgenen beten und opfern, sie sind es, die viele andere mittragen zu ihrem Heil, sie sind wie die Säulen, die das Mittelschiff der Kirche tragen.