Wenn auch nur ein katholischer Christ noch übrig sei

Die große Mystikerin Anna Katharina Emmerich beschreibt in einer ihrer Visionen vom 20.10.1820 anschaulich den traurigen Zustand der Kirche, wie wir ihn auch heute erleben können. Aber durch Gebet, Leiden und Opfer in Einheit mit dem Herrn wird die Kirche auferbaut:

“Als ich die Peterskirche in ihrem abgebrochenen Zustande sah und wie so viele Geistliche auch an dem Werk der Zerstörung arbeiteten, ohne dass es einer vor dem andern öffentlich wollte getan haben, da empfand ich solche Betrübnis darüber, dass ich heftig zu Jesus schrie, er solle sich erbarmen. Und ich sah meinen himmlischen Bräutigam vor mir wie einen Jüngling, und er sprach lange mit mir. Er sagte auch, dieses Wegtragen der Kirche bedeute, dass sie scheinbar ganz sinken werde; dass sie aber auf diesen Trägern ruhe und aus ihnen wieder hervorgehen werde; wenn auch nur ein katholischer Christ noch übrig sei, könne die Kirche wieder siegen, denn sie sei nicht im Verstande und Rate der Menschen gegründet. Er zeigte mir nun, wie es nie an Betern und Leidenden für die Kirche gefehlt.

Er zeigte mir alles, was er für die Kirche gelitten, und wie er den Verdiensten und Arbeiten der Märtyrer Kraft gegeben und wie er nochmals alles leiden würde, so er noch leiden könnte.Er zeigte mir auch in unzähligen Bildern das ganze elende Treiben der Christen und Geistlichen in immer weiteren und weiteren Kreisen durch die ganze Welt bis zu meiner Heimat und ermahnte mich zu ausharrendem Gebet und Leiden. Es war dieses ein unbeschreiblich großes, trauriges Bild, das nicht auszusprechen ist. Es wurde mir auch gezeigt, dass schier keine Christen im alten Sinne mehr da sind. Ich bin sehr betrübt durch dieses Bild.”

 

Beständig auf Gottes Wegen bleiben

Der französischer Priester und Theologe Louis Lallemant S.J. (1578 – 1635), der die ignatianische Lehre von der Unterscheidung der Geister vertieft und entfaltet hat, schreibt über den geistlichen Fortschritt, zu dem wir berufen sind, und über die innere Führung des Heiligen Geistes, der wir uns anvertrauen sollten:

“Auf dem Weg zu Gott geht der zurück, der nicht voranschreitet. Wie das Kind, das nicht wächst, nicht ein Kind bleibt, sondern ein Zwerg wird, so bleibt der Anfänger, der nicht rechtzeitig auf den Weg der Fortschreitenden gelangt, kein Anfänger, sondern eine zurückgebliebene Seele.
Ach, es scheint fast so, dass die große Mehrzahl der Menschen sich in der Gruppe der zurückgebliebenen Seelen befindet.”

“Man kann wahrhaftig sagen, dass es nur sehr wenig Menschen gibt, die beständig auf Gottes Wegen bleiben. Manche weichen in einem fort davon ab; der Hl. Geist ruft sie zurück in seinen Einsprechungen; da sie aber unfolgsam sind, von sich selber erfüllt, an ihre Meinung gekettet, von ihrer eigenen Weisheit aufgeblasen, lassen sie sich nicht leicht führen, betreten nur selten den Weg des göttlichen Willens und bleiben kaum darauf, sondern kehren zu ihren eignen Erfindungen und Gedanken zurück, die ihnen Ersatz bieten. So schreiten sie nicht viel voran und werden vom Tod überrascht, bevor sie zwanzig Schritte getan haben, wo sie doch zehntausend hätten tun können, wenn sie sich der Führung des Hl. Geistes überlassen hätten.

Wahrhaft innerliche Menschen dagegen, die sich vom Licht des Geistes Gottes leiten lassen, für das sie sich in der Reinigung des Herzens bereit gemacht haben und dem sie mit vollkommener Ergebung folgen, schreiten mit Riesenschritten voran und fliegen sozusagen auf den Wegen der Gnade.”

 

Selig, die reinen Herzens sind

Ein junger Matrose, der sich offen zu seinem Glauben an Gott bekannte, wurde deshalb gehänselt und verspottet. Eines Tages, die Mannschaft war an Deck, suchte der Kapitän mit seinem Fernrohr den Himmel ab und sagte enttäuscht: “Hör mal, mein Junge, jetzt habe ich den ganzen Himmel angeschaut, aber deinen Gott habe ich nicht gefunden.” Gelächter. Ruhig antwortete der Schiffsjunge: “Das wundert mich nicht, denn Jesus hat gesagt: ‘Selig, die reines Herzens sind, denn sie werden Gott schauen.'”

Es geht um das reine Herz. Jesus hat sehr deutlich darauf hingewiesen, was den Menschen unrein macht: “Denn von innen, aus dem Herzen der Menschen, kommen die bösen Gedanken, Unzucht, Diebstahl, Mord, Ehebruch, Habgier, Bosheit, Hinterlist, Ausschweifung, Neid, Verleumdung, Hochmut und Unvernunft. All dieses Böse kommt von innen und macht den Menschen unrein (Mk 7,21ff).

Das Streben nach Keuschheit ist schon ein wesentlicher Teil der Reinheit des Herzens. Der hl. Franz von Sales sagt: “Die Keuschheit hat ihren Ursprung im Herzen, ihren Sitz jedoch im Leib. Also kann man sie verlieren sowohl durch die Sinne des Leibes wie auch durch Gedanken und Begierden des Herzens. Es ist unschamhaft, Unanständiges anzusehen, anzuhören, zu sprechen, zu beriechen, zu berühren, wenn das Herz sich damit beschäftigt und Gefallen daran findet. Der hl. Paulus sagt ganz kurz: Unreines soll unter euch nicht einmal erwähnt werden (Eph 5,3). Die Bienen vermeiden nicht nur, ein Aas zu berühren, sondern sie fliehen und verabscheuen auch den Gestank, den es ausströmt.”

Aber Versuchungen sind noch keine Sünde. Die hl. Katharina von Siena (geb. 1347) zog sich zum Gebet zurück, wurde aber von Lästergedanken und unreinen Anfechtungen geplagt. Als diese Anfechtungen nachgelassen hatten, fragte sie Gott: “Herr, wo warst du in dieser Zeit?” “In deinem Herzen.” “O Herr, wie soll ich das glauben, mein Herz war voller unreiner Gedanken.” “Hattest du Freude daran?” “Nein, ich war tief betrübt.” “Siehst du, nur weil ich in deinem Herzen war, konntest du darüber traurig sein…”

 

Gestärkt zum guten Kampf durch den Heiligen Geist

Wir haben den Heiligen Geist in der Taufe und Firmung empfangen. Sein Kommen führt uns aber in einen geistlichen guten Kampf, da das Herz zwischen Gut und Böse hin- und hergerissen ist. Wir lernen dabei, unsere innere Gespaltenheit zu überwinden, damit der Friede Gottes in uns wohne. Die wichtigsten  Hilfsmittel sind das Gebet und die heiligen Sakramente, durch die unsere Seele im Guten gestärkt wird. Vielleicht inspiriert vom Heiligen Geist, ohne es zu wissen, erzählte ein alter Cherokee-Indianer seinem Enkel die Geschichte des inneren Kampfes, der sich in der Seele der Menschen abspielt: “Mein Sohn, es gibt einen Kampf zwischen zwei Wölfen in uns allen. Einer ist Böse: Es ist Wut, Neid, Eifersucht, Traurigkeit, Gier, Unzufriedenheit, Lügen, Stolz, Eitelkeit, Hass, Egoismus … . Der andere ist gut: Es ist Freude, Liebe, Hoffnung, Demut, Freundlichkeit, Wohlwollen, Geduld, Wahrheit, Mitgefühl … .” Der Enkel dachte einen Moment lang über diese Geschichte nach und fragte seinen Großvater: “Welcher der beiden Wölfe gewinnt?” Der alte Indianer antwortete einfach: “Der, den du fütterst.”

 

Güterzug oder Personenzug

Zwei junge Menschen verlieben sich und beschließen zu heiraten. Das Mädchen kommt aus einem sehr reichen Elternhaus. Dort wird der junge Mann zum Abendessen eingeladen und will, wie es früher so üblich war, um die Hand der Tochter bitten. Verlegen steht er den zukünftigen Schwiegereltern gegenüber. Die wohlüberlegten Sätze sind wie weggeblasen. Schließlich spricht er von einem ungeheuren Zug, der ihn zu dem Mädchen zieht, dass der Zug immer stärker geworden ist, dass er jetzt um die Hand der Tochter bitten möchte. Der zukünftige Schwiegervater legt ihm gütig lächelnd die Hand auf die Schulter und fragt: “Dieser Zug von dem Sie da sprechen, ist das ein ‘Güterzug’ oder ein ‘Personenzug’?”

Das ist auch eine Frage, die unsere Beziehung zu Gott betrifft. Haben wir zu ihm eher einen ‘Güterzug’, weil wir uns von ihm seine Güter und Hilfen erwarten, weil er für uns ein Wünscheerfüller ist? Oder ist Gott für uns unser Herr und Vater, Freund und Vertrauter und unsere Beziehung zu ihm ein ‘Personenzug’? Gott beschenkt uns wahrlich überreich mit seinen Gaben und Gnaden. “Und was hast du, das du nicht empfangen hättest?”, sagt der hl. Paulus (1Kor 4,7). Aber haben wir auch eine ganz persönliche Beziehung zu ihm? Lieben wir ihn um seiner selbst willen, auch dann, wenn er uns seine Güter und Hilfen nicht in dem Maß und in der Weise gewährt, wie wir es wünschten? Der Sohn Gottes ist in Jesus Christus Mensch geworden und hat aus Liebe zu jedem von uns unsere Schuld getragen und Leiden und Tod auf sich genommen. Darum fragt er uns, wie damals den Petrus: “Liebst du mich mehr als diese?”

 

Jesus aber schwieg

Alle Evangelien berichten von dem Schweigen des Herrn, als er vor den Gerichten dieser Welt stand. Reinhold Schneider schreibt darüber:

»Im Schweigen ist eine große Macht. Vorwürfe, Verleumdungen, Verdächtigungen, die unbeantwortet bleiben, fallen auf den Sprecher zurück. Die Worte der Verfolger an den Herrn bleiben gleichsam in der Luft, in der unheimlichen Leere, in der sie das Schweigen Christi festgebannt hat. Sie werden immer fragwürdiger, immer belastender, untragbarer für ihre Urheber. Mit dem, an den sie gerichtet sind, haben sie, wie all die törichten oder feindseligen Fragen, nichts zu tun. Sie sind Selbstenthüllungen derer, die sie vorbrachten. Sie sind wesenlos für den, auf den sie gezielt waren. Es ist eine seltsame Erfahrung, dass dem in Geduld Schweigenden das Recht sich zuneigt, während der andere den Worten überlassen bleibt, die er sprach. Thomas à Kempis bemerkt einmal: “Keiner tritt sicher in die Öffentlichkeit, der nicht die Verborgenheit liebt.” Diese Sicherheit war Christus in hohem Maße eigen. Sie muss in einem gewissen Maß einem jeden eigen werden. Sie wird es freilich nur dann, “wenn wir,” wie Thomas à Kempis sagt, “ohne Befleckung des Gewissens zum Schweigen zurückkehren können.” Im Schweigen liegt eine die Persönlichkeit in sich selber bildende, zugleich eine die andern formende Kraft. Das Schweigen ist sehr oft die Antwort der Wahrheit.«

 

Wir kleben fest an unserem alten Ich

Der sel. Kardinal Newman sagt:

“Was ist es also, das uns, die wir religiös sind, fehlt? Ich wiederhole, es ist folgendes: eine Bereitschaft, uns ändern zu lassen, eine Bereitschaft, es hinzunehmen, dass Gott uns ändert. Wir geben das alte Ich nicht gerne auf; denn ganz oder teilweise kleben wir fest an unserem alten Ich, obwohl uns alles frei angeboten ist. Auch wenn wir die Zusicherung hätten, dass die Änderung überhaupt keine Mühe miteinschließt, auch wenn es keine Selbstverleugnung, keine Anstrengung dabei gäbe, es würde sich nichts daran ändern. Wir möchten nicht neugeschaffen werden; wir schrecken davor zurück; es wirft uns aus allen unseren natürlichen Bahnen, aus allem, was uns vertraut ist. Wir verspüren, dass wir nicht mehr wir selbst bleiben, wenn wir nicht einen Teil dessen bewahren, was wir bisher gewesen sind; und wie sehr wir auch in allgemeinen Worten vorgeben, dass wir geändert werden möchten: wenn es darauf ankommt, wenn die Einzelheiten der Änderung uns vor Augen gestellt werden, schrecken wir vor ihnen zurück und sind es zufrieden, zu bleiben wie bisher.”

 

Sel. John Henry Newman – Die Zugänge der Seele nicht versperren

Der sel. Kardinal Newman hat in einer Predigt, die er als anglikanischer Geistlicher gehalten hat, auf die Gefahren hingewiesen, die unser Herz für den Ruf und die Gnade Gottes unzugänglich machen können. Was er sag, ist immer aktuell und bedenkenswert:

“Ich muss offen sagen, mag diese Äußerung auf den ersten Blick auch unbegründet erscheinen, dass die Annehmlichkeiten des Lebens die Hauptschuld an unserem Mangel an Gottesliebe tragen. Solange wir nicht lernen, auf jene Annehmlichkeiten bis zu einem gewissen Grad zu verzichten, wird unser Geist nicht in der Lage sein, göttliche Eindrücke aufzunehmen und das Streben nach himmlischen Dingen wach zu halten. Ein behagliches und leichtes Leben, ein ununterbrochener Genuss der Güter der Vorsehung, reiche Mahlzeiten, weiche Kleidung, bequem eingerichtete Wohnungen, sinnliche Freuden, das Gefühl der Sicherheit, das Bewusstsein der Wohlhabenheit, diese und ähnliche Dinge versperren, wenn wir nicht achtsam sind, alle Zugänge der Seele, durch die das Licht und der Atem des Himmels zu uns dringen können.”

 

Resignation

Der französische Maler Louis Dechamps (1846 – 1902) hat seinem warmherzigen Bild der Rosenkranz betenden Frau und des Mädchens den Titel “Résignation” gegeben.

Im Deutschen ist Resignation ein eher negativ besetztes Wort, bei dem Hoffnungslosigkeit, Verzweiflung, Depression mitklingen. Aber die Bildaussage widerspricht vollkommen dieser Auffassung. Das Wort Resignation kommt aus dem Lateinischen und bedeutet ursprünglich nach verlorener Schlacht die Feldzeichen zu senken, sich zu ergeben.

In der christlichen Mystik hat es die Bedeutung, dass der Mensch nicht mehr eigenwillig kämpft, sondern sich gelassen in den Willen Gottes ergibt. Wer den Rosenkranz demütig betet wie diese Frau, der kann getrost in die Zukunft blicken wie das Mädchen, denn alles ist in Gottes Hand.

 

Jahreszeiten der Seele

Der hl. Pater Pio sagt: Ich stelle fest, dass sich in unserer Seele alle Jahreszeiten widerspiegeln. Manchmal spürt ihr den Winter in seiner ganzen Unwirtlichkeit, Öde, Freudlosigkeit und Langeweile. Dann den Tau des Maimonats mit dem Duft der Blumengewinde. Dann den heißen Wunsch, unserem göttlichen Bräutigam zu gefallen. Nun bleibt nur noch der Herbst, in dem ihr wenig Früchte ernten könnt. Freilich geschieht es mehr als einmal, dass der Getreideacker und der Weingarten mehr einbrachte, als Korn und Traube vor der Reife versprachen. Ihr möchtet gern, dass alles im Frühling und Sommer geschehen solle. Nein meine lieben Kinder! Der Wechsel ist notwendig bei den Dingen in der Natur und den Ereignissen in unserem Innern. Im Himmel ist alles Frühling und damit ist seine Schönheit gemeint. Im Himmel ist alles Herbst und redet so von seiner unaufhörlichen Freude. Im Himmel ist alles Sommer, weil er die herrliche Liebe besitzt und verkündet. Aber im Himmel wird es niemals einen Winter geben. Doch hier auf Erden ist der Winter notwendig, dass wir die Selbstverleugnung lernen und üben und die tausend kleinen Tugenden.