Der weinende Engel

Der russische Dichter Fjordor Dostojewski hat in einer eindrucksvollen Geschichte die Wahrheit veranschaulicht, dass die Liebe zu Gott und den Menschen – auch wenn sie nur ein kleiner Funke ist – uns retten kann für das ewige Leben. Auf der anderen Seite besteht die Hölle darin, dass der Mensch sich im Egoismus verschließt und die andern mit Füßen tritt.

»Es war einmal eine Frau, die war böse, sehr böse und starb. Sie hinterließ nicht eine einzige Spur einer guten Tat. Sie wurde von den Teufeln ergriffen und in den Feuersee geworfen. Aber ihr Schutzengel stand da und dachte darüber nach: Könnte ich mich nur dessen erinnern, dass sie irgend etwas Gutes getan hat, so dass ich es Gott sagen könnte. Es fiel ihm etwas ein, und er sprach zu Gott: “Sie hat in ihrem Gemüsegarten eine kleine Zwiebelpflanze ausgerissen und sie einer Bettlerin geschenkt.” Und Gott antwortete ihm: “Nimm diese kleine Zwiebelpflanze und reiche sie ihr zum See hinab, die mag sie anpacken und sich daran herausziehen. Und wenn du sie aus dem See herauszuziehen vermagst, so mag sie ins Paradies eingehen. Wenn aber das Zwiebelkraut abreißt, so soll die Frau bleiben, wo sie sich jetzt befindet.” – Der Engel lief zu der Frau, reichte ihr die kleine Zwiebelpflanze hin und sagte: “Da, Frau, fass an und zieh dich daran heraus.” Und er fing an, sie vorsichtig an sich heranzuziehen. Und beinahe hätte er sie herausgezogen. Aber als die übrigen Sünder in dem See sahen, dass man jene herauszog, da hängten sich alle an sie, damit sie zugleich mit ihr herausgezogen würden. Die Frau aber wurde böse und begann mit den Füßen nach ihnen zu treten. “Ich soll herausgezogen werden und nicht ihr, es ist mein Zwiebelchen und nicht eures.” So wie sie das ausgesprochen hatte, riss das Zwiebelkraut ab. Die Frau fiel in den See zurück, und da brennt sie bis auf den heutigen Tag. Der Engel aber fing an zu weinen und ging fort.«

 

Der gute Hirte rettet die Schafe

Ein schottischer Schafhirte berichtet über seine Erfahrung: Auf seinen Wanderungen durch das Hochland können sich die Schafe leicht verirren. Sie gelangen dabei an Orte, aus denen sie nicht mehr herauskommen. Das Gras auf diesen Bergen ist sehr süß und die Schafe mögen es. Sie springen dann auch auf gefährliche Klippen und Felsvorsprünge von drei bis vier Meter hinab und können dann nicht mehr zurück. Der Hirte hört sie dann in ihrer Not blöken. Tagelang lässt er sie dort sein, bis das ganze Gras aufgefressen ist. Er wartet, bis das Schaf so schwach ist, dass es nicht mehr stehen kann. Dann erst steigt er hinab und legt einen Strick um das Schaf, um es dann heraufzuziehen.

Auf die Frage, warum er nicht gleich zu diesem verirrten Schaf hinabsteige, sagt er, weil die Schafe so dumm sind; wenn man ihnen in dieser Situation zu früh nahe kommt, besteht die Gefahr, dass sie sich vor Scheu und Schreck direkt in den Abgrund hinabstürzen, und das wäre tödlich für sie. Nicht umsonst hat Jesus sich als der “Gute Hirt” geoffenbart. Er kennt seine Schafe und führt sie auf gute Weide. Wenn wir aber irgendwo anders unser Futter suchen, so weiß er auch, wie lange er uns “grasen” lässt, bis wir erkennen, in welche Not wir uns gebracht haben. Wenn wir dann aber zu ihm rufen, hört er uns, geht uns nach und holt uns zurück zur Herde.

 

Die Hand Gottes

Ein Vater betrat mit seinem kleinen Sohn ein Geschäft, in dem er einige Kleinigkeiten besorgen wollte. Nachdem der Vater die Waren bezahlt hatte, forderte der freundliche Verkäufer den Jungen auf, eine Handvoll Bonbons aus dem Glas zu nehmen. Der Junge aber hielt sich zurück.  “Was ist los?”, fragte der Mann. “Magst du keine Bonbons?” Das Kind nickte eifrig. Und lächelnd steckte der Verkäufer selber seine Hand in das Bonbonglas und stopfte dem kleinen Jungen eine große Portion in die Taschen. Später fragte der Vater seinen Sohn, warum er nicht gleich zugegriffen habe, als er dazu aufgefordert wurde. “Weil seine Hand größer ist als meine”, erwiderte der Junge. Gottes Hände sind groß und großzügig. Seine Hand ist so viel größer als unsere. Er tut mehr für uns, als wir uns vorstellen können – wenn wir es ihm überlassen! Die wahre Weisheit besteht darin, darauf warten zu können, bis er uns beschenkt.

 

Die Stimme des Hirten kennen

“Euer Herz lasse sich nicht verwirren. Glaubt an Gott und glaubt an mich!”, sagt Jesus, der Gute Hirt. In unserer Zeit, ist es besonders wichtig, seine Stimme zu kennen. Warum? Ein  Schafhirte berichtet:

“Wenn in meiner Herde ein Lamm geboren wird, trage ich es in der ersten Woche so oft es geht auf meinem Arm. Während ich mit ihm rede, gewöhnt sich das Schaf an meine Stimme. Es merkt sich: ‘Hier geht es mir gut. Hier wird für mich gesorgt.’ Ein Leben lang wird das Schaf meine Stimme nicht mehr vergessen und darauf hören. Das kann lebenswichtig sein. Ein befreundeter Gastwirt hatte mich gebeten, seine fünf Schafe in meiner Herde mitzunehmen. Wir zogen durch das Neckartal; Links der Neckar, rechts eine Landstraße. In der Nacht war es kalt gewesen. Über dem Fluss und den Wiesen lag Bodennebel, so dass der Neckar kaum zu sehen war. Als ich mit meiner Herde die Straße entlang ging, fuhr ein großer Sattelzug vorbei. Der Fahrer drückt zum Gruß auf seine Dreiklanghupe. Die Schafe erschraken fürchterlich über dieses laute Geräusch. In der Herde brach Panik aus. Sie rannten einfach drauf los. Wegen des Nebels konnten die Schafe nicht erkennen, dass sie auf einen Fluss zuliefen. Die steile Uferböschung, das eiskalte Wasser, die Strömung: Meine Herde war in größter Gefahr. Ich rief so laut ich konnte:”Halt! Bleibt stehen!” Und siehe da, meine Schafe hörten meine Stimme. Sie spürten instinktiv: ‘Das ist unser Hirte. Er ist da. Wir brauchen nicht wegzulaufen.’ Gegen die Panik und Angst setzte sich die Erinnerung an den Hirten durch. Knapp vor dem Flussufer kam die Herde zum Stehen. Nur fünf Schafe rannten blindlings weiter, die Schafe des Gastwirts. Sie kannten mich nicht, sie waren nicht auf meine Stimme programmiert. Sie stürzten in den Neckar und ertranken.”

 

Höher steigen

Es gibt immer wieder wunderbare Gleichnisse aus der Natur, die uns wichtige Prinzipien unseres geistlichen Lebens veranschaulichen.

Die einzigen Vögel, die es wagen, einen Adler anzugreifen, wenn er in ihr Revier gerät, sind die Raben. Dabei stellt der Rabe sich im Flug frech auf den Rücken des Adlers und pickt ihn in den Nacken.  Der große Adler reagiert jedoch nicht verängstigt oder kämpft gar mit dem frechen Angreifer. Er ist nicht geschockt oder panisch. Er verändert lediglich seine Flugbahn. Er beginnt mit seinen Flügeln zu schlagen, um höher Richtung Himmel zu steigen. Je höher der Flug auf dem Rücken des Königs der Lüfte geht, desto schwieriger wird es für den lästigen Raben zu atmen. Wegen Sauerstoffmangels muss er schließlich seine Attacke abbrechen.

Wir sind in unser Seele wie die Adler. Wir sind berufen, uns über diese Welt zu Gott zu erheben. Aber leider geraten wir nur allzu leicht in das Revier der Raben, die uns dann angreifen und attackieren: Das sind die Versuchungen des Teufels, die inneren Bedrängnisse und Verletzungen, die wir durch andere erfahren, die Sünden und Schwächen, die uns im Nacken sitzen und uns niederziehen.  Es nützt hier nichts, verzweifelt zu kämpfen und aggressiv um sich zu schlagen, sonder nun gilt es, kräftig die Flügel der Seele zu schlagen, um höher zu steigen: Das heißt vermehrt zu beten, zu beichten, am hl. Messopfer teilzunehmen, aus Liebe zu Gott Verzichte und die Nächstenliebe im Verzeihen zu üben. Dann werden die Angreifer verschwinden und die Seele findet Frieden in Gott.

 

Ich weiß, dass mein Erlöser lebt

Für Georg Friedrich Händel (1685 – 1759) war die Komposition des großen geistlichen Oratoriums “Der Messias” ein Gnadengeschenk, das er nach äußeren Misserfolgen und schweren inneren Prüfungen und Leiden empfangen hatte. Innerhalb von 24 Tagen hat er dieses Werk vollendet. Aber nicht nur für Händel war “Der Messias” eine Gnade, sondern auch viele Zuhörer erleben seither die besondere Gnade des “Messias”, ebenso die Musiker, die ihn spielen dürfen.

Eine von ihnen ist die weltberühmte australische Opernsängerin Joan Sutherland, die 1962 vom Londoner Symphonieorchester engagiert worden war, das Sopransolo “Ich weiß, dass mein Erlöser lebt”, zu singen. Bekannt für ihre Perfektion, sang sie gleich beim ersten Mal in der Probe fehlerlos ihren Part, doch der Dirigent, Sir Adrian Boult, bat sie mit einem Lächeln, die Arie zu wiederholen. Joan bemühte sich erneut und sang sicher, doch Sir Boult war noch immer nicht zufrieden. Ein drittes Mal sang sie mit ihrem brillanten Sopran. Da ja bei der Probe kein Publikum anwesend ist, applaudierte das Orchester. Aber auch dieses Mal sollte es nicht genügen. Ungeduldig und leicht verärgert fragte sie, was sie denn noch verbessern solle. Mit leiser Stimme antwortete der Dirigent: “Sie haben gesungen: ‘Ich weiß, dass mein Erlöser lebt’, aber ich habe in Ihrem Gesang nicht gespürt, dass Er lebt. Lebt Gott wirklich für Sie?” Joan sang den Part erneut, dabei liefen die Tränen über ihre Wangen, und nicht nur sie weinte. Auch die Musiker waren von der Gnade derart ergriffen, dass man die Generalprobe abbrechen musste. Allen blieb diese außergewöhnliche Probe lebendig in Erinnerung, in der sie erfahren durften, dass ihr Erlöser lebt.

Einem Bewunderer des “Messias” antwortete Händel nach einer Aufführung: “Ich würde es bedauern, wenn das Oratorium meine Zuhörer nur unterhalten würde; ich wünschte sie besser zu machen.”

 

Für die Kirche

Der Schriftsteller Tolstoi erzählt in einem seiner Werke die Geschichte von dem Mönch des Klosters in Optina. Dieser Mönch verfiel in eine schmerzliche, hoffnungslose Krankheit. Jahrelang lag et regungslos auf dem Krankenbett seiner bescheidenen Zelle. Er war nicht mehr imstande, die geringste körperliche oder geistige Arbeit zu verrichten. Allen war er zur Last geworden. Er vermochte nicht einmal allein zu essen, sondern musste gefüttert werden. So absolut nutzlos war er scheinbar geworden. Aber fröhlichen Herzens, mit ruhiger Seele ertrug der Mönch sein furchtbares Leiden. Er trug es aus dem Gedanken der Sühne für seine eigenen Sünden und die Sünden der ganzen Welt. Jeder, der ihn so froh und gefasst sah, ging ergriffen und neu gestärkt heim. Allmählich kamen viele Menschen, um diesen Kranken sehen zu können. Er, der hilflos Kranke, verlieh den Gesunden die Kraft, auch ihre eigenen Leiden tapfer zu tragen aus Liebe zum Heiland und zur Sühne für ihre Sünden. Er, dessen Leben so zwecklos erschien, hatte die große Mission erhalten, ungezählten anderen zu lehren, das eigene Leben zu meistern und auch im schwersten Leid nicht zusammenzubrechen. Und wie viele unsichtbare, verborgene Gnadenströme, von denen die Welt nichts weiß, mögen durch das Sühneleiden dieses armen Mönches auf die sündige Menschheit herabgezogen worden sein! Solches Leid erscheint aber so schwer, dass wohl kaum jemand sich freiwillig dazu anbieten mag. Gott selbst muss dieses Kreuz dem sich zunächst Sträubenden auferlegen. Und meist braucht es eine gewisse Zeit, bis der Mensch sich mit dem Unvermeidlichen abfindet. Hat er sich aber durchgerungen und Gott das Opfer seines Lebens gebracht, dann erfüllt ein wunderbarer Trost und ein tiefer Friede seine Seele. Er kann nun mit Paulus sprechen: “Ich freue mich meiner Leiden. Denn ich ergänze an meinem Leibe das, was den Verdiensten Christi noch fehlt für seinen Leib, die Kirche” (Kol 1,24).

 

Es ist Liebe, die leidet, Liebe, die alles gibt

Am 19. Juni feiert die Kirche wieder das Hochfest des Heiligsten Herzens Jesu. Das Johannesevangelium enthüllt uns das tiefste Wesen dieses Festes mit den Worten: “Gott hat die Welt so sehr geliebt, dass er seinen einzigen Sohn hingab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht zugrunde geht, sondern das ewige Leben hat” (Joh 3,16).

Diese zentrale Aussage hat auch den Philosophen und christlichen Schriftsteller Søren Kierkegaard (1813-1855) aus Dänemark fasziniert und zu einer Parabel inspiriert. Darin heißt es:

Es war einmal ein junger König, der sich unsterblich in ein Mädchen aus ganz ärmlichen Verhältnissen verliebte. Sie bewohnte eine winzige Hütte und führte ein bäuerliches Leben. Der König wünschte nichts sehnlicher, als sie zu heiraten, obwohl ein größerer Rangunterschied als zwischen ihm und dem Mädchen kaum denkbar war. Trotz  dieser Kluft fragte er sich unentwegt: “Wie nur kann ich ihr meine Liebe beweisen, wie nur kann ich sie für mich gewinnen?” Da empfahl ihm einer seiner Ratgeber: “Befiehl ihr einfach, deine Frau zu werden. Du bist der König, sie hat zu gehorchen.” Die Macht dazu hatte er, aber Unterwerfung war nicht das, was er wollte. So überlegte er weiter: “Ich könnte ihr meine Herrlichkeit und meinen Reichtum zeigen, sie in Samt und Seide kleiden, um sie zu beeindrucken.” Wie aber könnte er dann jemals wissen, ob sie ihn wirklich um seiner selbst willen liebte, spontan und frei? Nein, auch mit Macht und Reichtum kann echte Liebe nicht entzündet werden! Die Tür des menschlichen Herzens muss sich von innen her öffnen. So blieb ihm, um das Herz des Mädchens zu gewinnen, nur ein Weg, den kein König vor ihm je eingeschlagen hatte: Er stieg von seinem Thron, legte die Krone ab und nahm selbst die Gestalt eines armen Menschen an. Er, der König, wurde zum einfachen Bauern, zum Diener, der es zudem riskierte, abgewiesen zu werden. Und das alles nur aus Liebe! Denn der wahrhaft Liebende will der geliebten Person ganz ähnlich werden.

Gott, der aus unendlicher Liebe zu uns Menschen selbst ein Mensch wurde, ja sogar unser aller Diener, damit Er für uns leiden und sterben kann. So schließt Kierkegaard seine Geschichte mit den Worten: “Aber Dienersein besteht nicht nur im Tragen eines ärmlichen Gewandes. Und deshalb muss Gott als Diener alles erleiden, alles ertragen. Er muss bis in den Tod gehen wie der allerniedrigste Mensch. Sein ganzes Leben ist eine Geschichte des Leidens; und es ist Liebe, die leidet, Liebe, die alles gibt.“

 

Was hast du mir zu geben?

Der indische Dichter Rabindranath Tagore (1861-1941) verfasste viele Gedichte, die seine Beziehung zu Gott widerspiegeln. Im folgenden Gleichnis beschreibt er eine tiefe Wahrheit, die uns alle betrifft:

“Ich ging bettelnd von Tür zu Tür auf der Dorfstraße, als wie ein ferner Traum Deine goldene Kutsche auftauchte, und ganz erstaunt fragte ich mich, wer der König der Könige sein könnte.

Meine Erwartung steigerte sich, ich dachte, dass meine schweren Tage nun ein Ende hätten, und mit den Augen suchte ich einen Blick auf die Geschenke werfen zu können, die, ohne dass man um sie gebeten hatte, gegeben und die Reichtümer, die rings umher in den Staub gestreut würden.

Die Kutsche blieb bei mir stehen. Dein Blick ist auf mich gefallen, und Du bist mit einem Lächeln herabgestiegen. Das Glück meines Lebens war nun endlich gekommen.

Da hast Du plötzlich die rechte Hand gehoben und hast gesagt: Was hast du mir zu geben?

Ach, das war ein Scherz des Königs, wie Du Deine hilfreiche Rechte einem Bettler geöffnet hingehalten hast. Verwirrt und unschlüssig nahm ich langsam ein kleines, ein ganz kleines Weizenkorn aus meinem Beutel und gab es Dir.

Aber wie groß war meine Überraschung, als ich am Ende des Tages meinen Beutel auf den Boden leerte und unter all dem armseligen Zeug ein kleines, ein ganz kleines Weizenkorn aus Gold fand. Ich weinte bitter, und ich wünschte, ich hätte den Mut gehabt, Dir alles zu geben, was ich hatte.”

Jesus hat gesagt: “Nach dem Maß, mit dem ihr messt und zuteilt, wird euch zugeteilt werden, ja, es wird euch noch mehr gegeben”(Mk 4,24).

Gott beschenkt uns mit dem unendlichen Reichtum seiner Gnade und Liebe, aber  nur in dem Maß, als wir bereit sind,  ihm alle unsere Armseligkeiten, Schwächen, Grenzen und auch Sünden zu übergeben.

 

Mit der Eucharistie gegen die Flut

Am 31. Januar 1906 wurden die Bewohner der kleinen Insel Tumaco (Kolumbien) durch ein anhaltend heftiges Erdbeben um 10 Uhr vormittags in große Angst versetzt. Einige Häuser waren bereits eingestürzt, und in der Kirche fielen Statuen von ihren Sockeln. Die verängstigten Gläubigen baten ihre Seelsorger, P. Julian Moreno und Pfr. Gerard Larrondo, eine Bittprozession abzuhalten. Als Pfr. Larrondo auf das Meer hinaus blickte, sah er, dass es weit zurückwich, obwohl es nicht die Zeit der Ebbe war. Er wusste: Die Wogen würden zurückkommen, sich hoch auftürmen und den ganzen Ort überspülen.

Sofort rannte er in die Kirche, holte den Kelch mit den konsekrierten Hostien aus dem Tabernakel und konsumierte alle bis auf eine. Nun eilte er zum Strand, den Kelch in der Linken, die verbleibende Hostie in der Rechten, und ging auf die heranflutenden Wasser zu. Das Wasser reichte ihm schon bis zur Hüfte, als die Flut nur wenige Meter vor der kleinen, hochheiligsten Hostie stehen blieb und dann langsam in Richtung Meer zurückfloss. Wie gebannt hatte die vom Tod bedrohte Menschenmenge dieses Wunder bestaunt. Nun zogen sie jubelnd und dankend zurück zur Kirche, den eucharistischen Herrn in der konsekrierten Hostie in ihrer Mitte.

Die heilige Hostie wurde in die goldene Monstranz eingesetzt und durch die Stadt getragen. Weinend vor Glück schloss sich die ganze Stadt dieser Fronleichnams-Prozession an, außer sich vor Dankbarkeit gegenüber ihrem Herrn und Gott, der wahrhaft in der heiligen Hostie gegenwärtig war. Diese Begebenheit zeigt uns, dass wir durch das “Hochhalten” der Eucharistie, das heißt durch die Mitfeier des hl. Messopfers und durch die Anbetung und Verehrung des Allerheiligsten, die heute so ungeheure geistige Flut von Schmutz, Verwirrung und Verderben abwehren können.